27. September 2024

Ein Renommee reicht nicht fürs Überleben: Der Hörspielpreis der Kriegsblinden

Wenn aus Institutionen irgendwann »renommierte« Institutionen geworden sind, ist in der Regel Vorsicht geboten. Da war mal etwas – und ist nicht mehr. So erging es dem »renommierten« Grimme-Institut (Marl), dem die Katholische Nachrichtenagentur (KNA) kürzlich bescheinigte, »zehn Jahre … in einer Art Dornröschenschlaf« verbracht zu haben. Der »renommierte« »Hörspiel preis der Kriegsblinden« wurde ausge rechnet im Jubiläumsjahr »100 Jahre Hörspiel« sehr überraschend aus gesetzt, der »Deutsche Hörspielpreis der ARD« (Preisgeld: 5.000 Euro) ganz gestrichen. Und die Auszeichnung »Hörspiel des Monats« der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste (DADK) soll »überarbeitet« werden

Zufällig sind diese Diskussionen und Veränderungen nicht. … (Politik und Kultur. Zeitung des Deutschen Kulturrats 10/ 2024, S. 6)


 

13. August 2024

'Bis auf Weiteres'. Die erste Corona-Welle 2020 im Hinterland - ein Rückblick in zwei Teilen

"27. Februar 2020, Do.
Wuhan! Ein Ort in China ist plötzlich weltbekannt geworden. Hier soll das Zentrum einer neuen, rätselhaften Krankheit sein: Covid-19, kurz: Corona. Abends fragt Maybrit Illner (ZDF) in ihrer Talkshow: „Coronavirus ohne Grenzen – wie gut ist Deutschland vorbereitet?“ Mit dabei sind Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und der Virologe Christian Drosten. Drosten warnt: „Die Pandemie ist nicht aufzuhalten“.

2. März 2020, Mo.
Das Robert-Koch-Institut (RKI) setzt die Corona-Gefahr von „gering“ auf „mäßig“. In den Medien und vor allem in den Talkshows wird eine neue Berufsgruppe immer bedeutender: die Virologen. Drosten, Melanie Brinkmann und heute – bereits um 20.15 Uhr bei „Hart aber fair“ (Das Erste) - Alexander Kekulé.

9. März 2020, Mo.
Neue Ambivalenzen dringen auch andernorts in den Alltag. Die Gemeinde Steffenberg sagt überraschenderweise den Mittagstisch „Gemeinsam statt einsam“ ab. Wegen Corona, sicherheitshalber. … Am Abend veröffentlicht das Gesundheitsamt Marburg-Biedenkopf eine Pressemitteilung. Es gibt nun auch im Kreis einen ersten Corona-Infizierten. Es ist eine fünfzigjährige Frau, die zuvor in Südtirol gewesen ist. Das Ergebnis für den Ehemann liegt noch nicht vor.

10. März 2020, Di.
Das hessische Privatradio FFH berichtet inzwischen von zwei Fällen in Marburg-Biedenkopf – Waren das die Niederdietener? Am Abend teilt der Landkreis mit, dass auch der Ehemann positiv getestet wurde. Es gibt hier inzwischen drei Fälle. … Die Massenmedien machen mobil: Das Erste (ARD) sendet einen ersten Corona-“Brennpunkt“ unter dem neuen Titel: „ARD Extra“. Sechs Millionen Zuschauer sehen nach der „Tagesschau“ den Schwerpunkt „Corona in Deutschland – was tun?“ Bald wird es diese Sondersendungen jeden Abend im Ersten und in den Dritten Programmen geben. Corona ist in den Familien angekommen.  #aedial! Als Bedrohung! …. (Hinterländer Geschichtsblätter 2/ 2024, Seite 169-176)

29. Oktober 2023

100 Jahre Radio im Hinterland (Altkreis Biedenkopf)

Es war ein fast hörerfreier Start. Als am 29. Oktober 1923 der „Unterhaltungsrundfunk“ im Berliner Vox-Haus startete, gab es rund 400 registrierte Zuhörer. Die Sendungen waren vor allem in der Hauptstadt zu empfangen. Das Hinterland erreichten sie nicht. Erst die Gründung der „Südwestdeutschen Rundfunkdienst AG“ in Frankfurt verbesserte seit Anfang 1924 die Empfangssituation im Kreis Biedenkopf, doch sie blieb schwierig. Als 1924 der Gewerbeverein in Biedenkopf „an gewitterfreien Tagen“ die Einwohner mit öffentlichen Veranstaltungen für das neue Medium begeistern wollte blieb die Resonanz gering. Schon kurz nach der Eröffnung wurde die Initiative wieder eingestellt: „Mangels Besuch, wegen zu hoher Unkosten und ungünstiger Witterungseinflüsse“.Das Interesse an der „Radio-Sache“ kam nicht von selbst...." (Hinterländer Anzeiger vom 27. und 28. Oktober 2023)


13. Oktober 2023

Sendemasten zu Speerspitzen - Das Radio als Medium der Propaganda. Diskussion

"Ob in der NS-Zeit oder während des Kalten Krieges, das Medium Radio spielte als Mittel der Propaganda stets eine Rolle. Welche Lehren zieht man daraus für die Zukunft und wie stark ist der Einfluss des Radios heute noch? Das ist unser Thema im Diskurs am 13. Oktober (Sendung: Freitag 13.10.2023 19.15 bis 20.00 Uhr) ... Radio und Propaganda haben in Deutschland eine wechselvolle, aber oft gemeinsame Geschichte. Ist das jetzt einhundert Jahre alte Radio besonders anfällig dafür? Welche Lektionen kann man daraus für Gegenwart und Zukunft ziehen. Und ist das Radio überhaupt so wirkmächtig, wie viele vermuten? Darüber diskutieren die Wiener Medienwissenschaftlerin und Filmhistorikerin Prof.  Karin Moser und der Hamburger Medienwissenschaftler und Journalist Dr. Hans-Jürgen Krug. Die Moderation hat Thomas Bimesdörfer vom Saarländischen Rundfunk (Mitschnitt einer öffentlichen Veranstaltung im Studio Eins des Saarländischen Rundfunks zum Auftakt der Aktionswoche '100 Jahre Radio')" (Podcast Diskurs)

100 Jahre Radio oder: Der Sound des Hinterlands


 

11. Oktober 2023

Das Radio als Medium der Propaganda


Sendemasten zu Speerspitzen. Das Radio als Medium der Propaganda. Podiumsdiskussion, Saarbrücken, 11. Oktober 2023.

30. Juni 2023

„Sender Biedenkopf“ geht in Betrieb

Mitte des vergangenen Jahrhunderts bahnt sich in der Welt des Radios eine gewaltige Veränderung an: Ultrakurzwellen (UKW) schicken sich an, die bis dato genutzte Mittelwelle (MW) zu ergänzen und schließlich zu ersetzen. Dazu braucht es jedoch neue Sendanlagen – und so geraten das Hinterland und die Sackpfeife ins Blickfeld der Planer in den Radiostationen.
UKW kann zwar nur durch neue, UKW-taugliche-Empfäner empfangen werden, hat aber mehrere Vorteile: Es ermöglicht zusätzliche, zunächst zweite Radioprogramme und ist vor allem in rauschfreier Qualität zu hören. Aber dafür müssten zunächst neue UKW-Sender gebaut werden. Auch der Äther braucht Infrastrukturen. Anfang der 1950er-Jahre beginnt der Hessische Rundfunk deshalb, das große „Viereck“ für die Bevölkerung Nordhessens aufzubauen: Die Sender Feldberg, Hoher Meißner, Wasserkuppe, Sackpfeife – benannt nach vier Bergstationen.
Eigentlich soll der neue Sender auf der Sackpfeife „offiziell“ „UKW--Sender Biedenkopf“ heißen ….“ (Hinterländer Anzeiger vom 23. Juni 2023).

30. April 2023

Für den Tag der Arbeit herausgeputzt. Feiertag erstmals vor 90 Jahre inszeniert

Anfang 1933 war der Rundfunk in Deutschland noch keine zehn Jahre alt. Er hatte sich lange als ein eher unpolitisches Medium verstanden, doch seit der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 änderte sich das rasch. Das Radio wurde politisch. Und es wurde ambitionierter und öffentlicher. Es sendete in die öffentlichen Räume.

Der 1. Mai wurde 1933 erstmals deutschlandweit als „Tag der nationalen Arbeit“ inszeniert. Das Zentrum war Berlin. In der Hauptstadt fanden die beiden wichtigsten Maikundgebungen statt. Morgens sprach Joseph Goebbels im Berliner Lustgarten vor 120 000 Jugendlichen, abends trat Adolf Hitler vor rund 1,5 Millionen Zuhörern auf dem Tempelhofer Feld auf. Hunderte von modernsten Lautsprechern übertrugen die Rede in Berlin – und der Rundfunk übertrug die Veranstaltung live ins ganze Reich. Aber dies war nicht alles.

Radiotag 1. Mai 1933

Der 1. Mai 1933, ein Montag, war auch ein – bisher so nie dagewesener – Radiotag, ein „medialer Paukenschlag“ (Gerhard Paul), ein akustisches Gesamtkunstwerk. ... (Westfalenpost/ Wittgensteiner Zeitung vom 1. Mai 2023)

12. November 2022

Bis ins kleinste Dorf. Radioräume und Strukturen

Die Anfänge des Hörfunks in Deutschland waren eher unauffällig. Der erste Sender stand im Obergeschoss des Berliner Vox-Hauses – und nur die Antennen auf dem Dach zeigten, dass hier am 29. Oktober 1923 ein neues Zeitalter begonnen hatte. Die Sendeleistung betrug 0,25 Kilowatt, die Antennen waren kaum zehn Meter
hoch – und die Bodenwellen verbreiteten sich gerade mal über fünf bis zehn Kilometer. Der Hörfunk war ein reines Großstadtmedium: 94 Prozent der ersten Gebührenzahler kamen aus Berlin. Noch 1924 begannen die Planungen für einen repräsentativen Sendeturm, der die ganze Hauptstadt mit Mittelwellenradio versorgen und gleichzeitig zu einem Wahrzeichen für die Stadt und die neue Funkindustrie werden sollte. Am 3. September 1926 wurde der Berliner Funkturm vor 1.000 Gästen eingeweiht. Er hatte 203.000 Reichsmark gekostet, doch seine Sendeleistung blieb weit hinter den Erwartungen zurück. Fünf Jahre später konnte auch das von Hans Poelzig entworfene „Haus der Rundfunks“ in der Masurenallee bezogen werden. In der Mitte des fünf Millionen Reichsmark teuren Funkpalastes aus roten Ziegelsteinen dominierte der Große Sendesaal mit mehr als 1.000 Plätzen, drum herum lagen die Büros und Studios. Berlin hatte seinen eigenen, hauptstädtischen Hörfunkkomplex.
Auch die acht Regionalsender, die 1924 in „räumlich improvisierten Verhältnissen“ii ihren Betrieb aufnahmen, saßen in Großstädten. Die Mitteldeutsche Rundfunk AG (MIRAG) begann am 2. März 1924 in der „Alten Waage“ am Markt in Leipzig, die Deutsche Stunde kam in München in Räumen des Verkehrsministeriums unter. Auch in Breslau, Frankfurt, Hamburg, Königsberg, Münster und Stuttgart wurde improvisiert. Doch schon bald wurde es in den Funkhäusern eng. 1926 begann die Schlesische Funkstunde mit dem Bau eines eigenen Funkhauses am Stadtrand von Breslau. Das Gebäude kostete 700.000 Mark und überforderte die arme Gesellschaft hoffnungslos. Bald bauten auch die anderen Sender genuine Funkhäuser: München (1929), Hamburg (1931), Berlin (1931), Königsberg (1933). Die Sender erhielten eigene, funktionsgerecht geplante Gebäude. Sie waren Institutionen. 
Bereits 1924 war klar, dass das Deutsche Reich technisch durch neun Sender nicht abgedeckt werden konnte.... (Bis ins kleinste Dorf. Radioräume und Strukturen. In: Diemut Roether, Hans Sarkowicz, Clemens Zimmermann (Hrsg.): 100 Jahre Radio in Deutschland. Bonn (Bundeszentrale für politische Bildung) 2022, S. 30-41)

29. Oktober 2022

Wurzelböden. Vor 50 Jahren: Abiturjahrgang 1972 in Biedenkopf

Irgendwann wurden an der Lahntalschule (LTS) in Biedenkopf die traditionellen Schulbücher durch selbst gekaufte Bücher ergänzt. Sie mussten nach der Lektüre nicht zurückgegeben werden, sondern blieben im Besitz der Gymnasiasten. Nach und nach gesellten sich nun neue Bücher zu den wenigen Kinder- und Jugendbüchern, die ich damals besaß. Am 19. März 1967 wurde ich konfirmiert. „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“, steht im meiner Konfirmationsurkunde. „Niemand kommt zum Vater denn durch mich (Joh. 14,6).“ Ich war nun religiös mündig, kirchlich erwachsen, abendmahlberechtig - und besaß eine eigene, nagelneue und teure Bibel. Mein Name war in Gold eingeprägt. Am 8. Juli fuhr meine Klassenstufe nach Glücksburg ins Ferienlager des Kreises Biedenkopf.

Das erste von mir (bzw. meinen Eltern) für den Unterricht erworbene Buch war das Hörspiel „Das Schiff Esperanza“ von Fred von Hoerschelmann. Gelesen „Juli 1967“ habe ich damals in das dünne, 55-seitige Büchlein geschrieben. Gelesen, das hieß: ..." (Wurzelböden. Vor 50 Jahren: Abiturjahrgang 1972 in Biedenkopf. In: Hinterländer Geschichtsblätter 3/ 2022, S. 113-118/ Beilage zum Hinterländer Anzeiger)

30. Oktober 2021

20 Jahre WDR 3 Kulturpartnerschaften in 20 Kapiteln

„WDR 3 wird 1998 – wie alle anderen WDR-Radioprogramme zuvor – zu einer 'Radiowelle' und erhält 1999 erstmals eine Wellenleitung. Das Programm erlebt die größten Veränderungen seiner mehr als 30-jährigen Geschichte. Aus dem kästchenorganisierten Mischprogramm soll sich ein eigenständiges Kulturprogramm mit originärer Orientierung an der nordrhein-westfälischen Kultur entwickeln. WDR 3 trägt den Claim 'Das Kulturereignis' und soll als Welle eine eigene durchgängige Ästhetik erhalten. Neue Zielgruppen und neue Hörer:innen sollen erschlossen werden.

Der erste Programmchef der neuen Welle ist Karl Karst. Er wird das Programm zwei Jahrzehnte lang von 1999 bis 2019 prägen. Karst beginnt sofort, die Formate zu überprüfen und das Programm weiter in der nordrhein-westfälischen Kulturszene zu verankern. Dazu entwickelt er die WDR 3 Kulturpartnerschaften. Es sind die ersten dauerhaften Partnerschaften zwischen Kultureinrichtungen eines Landes und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland ….“ (20 Jahre WDR 3 Kulturpartnerschaftenin 20 Kapiteln. WDR 3, 2021)