7. November 2007

O-Ton - zwischen Ode und Originalität

Worte machen manchmal erstaunliche Karrieren. Die Geschichte des Wortes Originalton liegt noch im Dunkeln, aber es dürfte Originalton oder O-Ton gegeben haben, seit es Hörfunk gibt. Doch erst in den 1970er Jahren wurde im Umfeld des Neuen Hörspieles aus dem Wort ein Label. Damals begannen Schriftsteller erstmals die neuen (und bisher vor allem Reportern vorbehaltenen) mobilen Aufnahmegeräte zu nutzen, ihre Möglichkeiten zu diskutieren und aus Tonbandaufnahmen Kunst zu machen: O-Ton-Hörspiele. Paul Wührs legendäres Hörspiel Preislied (1972) steht ebenso für diese neue, publizistisch gut begleitete Radiokunst wie etwa Rolf Dieter Brinkmanns Mikrophon-Experimente für den WDR oder die Features von Peter Leonhard Braun. O-Ton, das bedeutete in der Regel, dass in den Radioproduktionen keine Schauspieler sprachen, sondern irgendwie »Betroffene« (was, en passant, auch billiger war), oder dass die Aufnahmen nicht mehr (nur) aus dem Studio kamen, sondern aus der ›wirklichen‹ Welt. Dann verschwand der Terminus O-Ton wieder aus den Kunstdebatten. „Trotz unterschiedlicher O-Ton-Methoden ist mittlerweile unbestritten, dass das Original-Ton-Hörspiel (der schriftlichen Notierung geht die akustische Fixierung voraus) grundsätzlich keinen größeren Wert aufweist als das Nicht-Original-Ton-Hörspiel“. Wer in den 1990er Jahren etwa in Tageszeitungen die Abkürzung O-Ton nutzte, musste sie in der Regel schon wieder erläutern.
Die Veränderung der Radioprogramme von primär wortorientierten zu stärker akustikorientierten, formatierten und digital produzierten Angeboten seit Mitte der 1980er Jahre brachte den O-Ton gerade außerhalb der Kulturprogramme in Mode. Vor allem die neu entstandenen Privatradios setzten auf Nachrichten mit Originaltönen und machten sie so vermeintlich abwechslungsreicher und authentischer, dann reicherten auch die öffentlich-rechtlichen Sender ihre reinen Wortnachrichten mit O-Tönen an - heute gibt es kaum noch Nachrichten ohne O-Ton (IASL-Online).