16. Juli 2008

Politik, Medien und der Siegeszug der Plausibilität - eine Tagung (Berlin)

„Was wir über unsere Gesellschaft wissen“, so der Soziologe Niklas Luhmann, „wissen wir durch die Massenmedien.“ Doch was wissen wir wirklich? Die Massenmedien (Presse, Radio, Fernsehen, Internet) befinden sich gegenwärtig in einem tiefgreifenden Umwandlungsprozess, die Digitalisierung verändert das journalistische Arbeiten tiefgreifend. „Massenmedien operieren nicht mit exakten Informationen, sondern mit Plausibilität und Resonanz: what is necessary in sensemaking is a good story“ schrieb der Berliner Medientheoretiker Norbert Bolz. „Plausibilität ist für die Massenmedien also wichtiger als Genauigkeit“
Aber auch die modernen Gesellschaften verändern sich rapide. Der wissenschaftliche Fortschritt wächst enorm – und schafft nicht nur neue, sondern auch konkurrierende Wahrheiten. Spätestens seit dem 11. September 2001 und dem folgenden „Kampf gegen den Terror“ hat sich auch die Themenagenda grundlegend verändert. Sicherheitsfragen sind für Politiker/innen und Juristen/innen weltweit immer wichtiger geworden – und wurden in der Folge auch ein relevantes Medienthema geworden.
Sicherheit steht heute ganz vorne auf der Agenda, mal unter dem Stichwort Terrorismus, mal unter Kriminalität oder elektronischer Datenspeicherung. Politik, Justiz, Industrie und Verwaltung suchen neue Wege, Sicherheit auch in Zukunft zu gewährleisten. Sicherheitsproduktion ist zu einem boomenden Sektor geworden. Doch welcher Ethik fühlen sich Politiker/innen und Behörden verpflichtet, wenn Sie vor potentiellen Terroranschlägen warnen oder (wie bei der WM 2006) nicht warnen? Und wie verarbeiten die Medien diese Nachrichten. Schüren sie Angst, sind sie Beteiligte oder berichten sie nur?
Das Seminar für Journalisten und Journalistinnen richtet den Blick auf das weithin unbekanntes mediales Phänomen: den Umgang von Politik, Wissenschaft und Medien mit Unsicherheit. Eine Strategie soll besonders behandelt werden: Die Herstellung von Plausibilität – und damit einer neuen Form von Sicherheit. Neben hochrangigen Politikern/innen gehören profilierte Medienpraktiker/innen und Wissenschaftler/innen zu den Referenten der Tagung.

Reinhard Mohr hat in seinem Beitrag "Krise der Mediendemokratie. Das Schweigen der Anderen" (Spiegel Online) auch von der Tagung berichtet, Arno Orzessek (Deutschlandradio Kultur), Marcel Fürstenau (Deutsche Welle) und Vera Linß (Inforadio (hier)) haben Audio-Berichte erstellt, Helmut Merschmann einen Bericht für das Medienmagazin "Berliner Journalisten". In seiner Ausgabe 4/ 2008 (s. 114-117) berichtet "tv diskurs" - jetzt auch online - sehr ausführlich von der Tagung.