30. April 2023

„Das größte Fest, das Laasphe je beging“ Vor 90 Jahren: Der 1. Mai 1933 und das Radio

Anfang 1933 war der Rundfunk in Deutschland noch keine zehn Jahre alt. Er hatte sich lange als ein eher unpolitisches Medium verstanden, doch seit der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 änderte sich das rasch. Das Radio wurde politisch. Und es wurde ambitionierter und öffentlicher. Es sendete in die öffentlichen Räume.

Der 1. Mai wurde 1933 erstmals deutschlandweit als „Tag der nationalen Arbeit“ inszeniert. Das Zentrum war Berlin. In der Hauptstadt fanden die beiden wichtigsten Maikundgebungen statt. Morgens sprach Joseph Goebbels im Berliner Lustgarten vor 120 000 Jugendlichen, abends trat Adolf Hitler vor rund 1,5 Millionen Zuhörern auf dem Tempelhofer Feld auf. Hunderte von modernsten Lautsprechern übertrugen die Rede in Berlin – und der Rundfunk übertrug die Veranstaltung live ins ganze Reich. Aber dies war nicht alles.

Radiotag 1. Mai 1933

Der 1. Mai 1933, ein Montag, war auch ein – bisher so nie dagewesener – Radiotag, ein „medialer Paukenschlag“ (Gerhard Paul), ein akustisches Gesamtkunstwerk. 16 Stunden, von 8.50 Uhr bis 1 Uhr nachts, widmete sich der Hörfunk – überwiegend in Wortbeiträgen – dem Thema Arbeit. Ein einzigartiges durch das Radio getaktete Ensemble entstand. Denn die Rundfunkbeiträge standen auch im Mittelpunkt von tausenden lokalen Maiveranstaltungen in ganz Deutschland. Die Hauptstadt und das Land versammelten sich - erstmals - um die überall aufgestellten Lautsprecher. Berlin und der Rundfunk gaben die Zeiten, den Rhythmus und die Inhalte vor. Und das Land orientierte sich daran. Auch im Kreis Wittgenstein. Auch in Laasphe

Lautsprecher, Fahnen, Tannengrün

Laasphe wurde eigens für den Tag der nationalen Arbeit feierlich herausgeputzt. „Wer in der vergangenen Woche im Stillen Zeuge der mannigfachen Vorbereitungen zur Feier der nationalen Arbeit werden durfte“, beobachtete die „Wittgensteiner Zeitung“ (WZ), „ahnte es voraus. Fast kein Haus, das nicht im feierlichen Schmuck der Fahnen prangte“. An den Dachgiebeln und Fenstersimsen hingen rot-weiße und Hakenkreuzfahnen, an „allen“ öffentlichen Gebäuden „mächtige Hakenkreuze aus frischem Tannengrün“. Hörplätze wurden eingerichtet.

Das Fest der 3000

Laasphe begann den „Tag der nationalen Arbeit“ mit einem Feldgottesdienst auf dem Schulhof der neuen Volksschule. Einwohner, die Belegschaften der örtlichen Werke und der Amalienhütte nahmen teil. Ab 9 Uhr hörten die Schüler in den Schulen die Übertragung aus Berlin – pflichtgemäß. Um 10 Uhr folgte ein Festakt in der Aula der Aufbauschule – hier saßen Angehörige der Schüler, Lehrerkollegen, SA und SS. Die Teilnehmerzahl war beschränkt. Eintrittskarten waren nötig. Unter den Gästen befand sich Seine Durchlaucht Fürst August zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein. Auch die Aula war geschmückt, vor dem Rednerpult war ein Bild des neuen Laaspher Ehrenbürgers Adolf Hitler aufgestellt, an der Orgel war ein Bild Horst Wessels befestigt. Und dann hatte auch Laasphe eine Horst-Wessel-Schule, die in der „Adolf Hitlerstraße“ (so eine damalige Schreibweise) lag.

Laasphe war am morgen medial zweigeteilt. „Für Nichtteilnehmer am Festakt“, so heißt es im Programm für den 1. Mai, gibt es die „Radioübertragung“ aus Berlin. Und so ist es wohl auch gekommen: „Während des Festaktes“ in der Schule hörte eine große Zahl der Festteilnehmer in den Wirtschaften und in der Turnhalle die Ansprachen von Goebbels und Hindenburg und dann etwa die „Hörberichte deutscher Arbeiter in Berlin.“ Alles war genauestens geplant. In der Turnhalle versammelten sich die Niederlaaspher, die nähere Umgebung und die Gaststättenlosen. Eigentlich sollten auch auf dem Wilhelmsplatz Lautsprecher stehen und Berlin übertragen. Doch sie fehlten am Vormittag aus unbekannten Gründen. Man war verärgert. „Die zahlreichen auswärtigen Besucher, die sich dort versammelt hatten, mussten enttäuscht auf die Übertragung verzichten“.

Mittags dominierte in Laasphe das Radio. Das Platzkonzert der Weifenbacher Kapelle war beendet, die nächste Gesangsvortrag sollte erst später folgen. Bereits Ende April hatte der „Reichsverband deutscher Rundfunkteilnehmer“ dazu aufgerufen, auch die Lautsprecher in die Fenster zu stellen. Und die Laaspher (es gab dort damals 170 Radiogeräte) haben das offenbar auch sehr intensiv getan. „Während der Mittagspause“, so hielt die WZ fest, sah man „allenthalben in den Straßen größere und kleinere Gruppen von Festteilnehmern stehen, die sich die Funkberichte und Konzerte aus der Reichshauptstadt anhörten“. Aber nicht nur in Laasphe war der Mai-Rundfunk vielgehört. Aus Erndtebrück vermeldete ein Korrespondent: „Dicht gedrängt umstanden die Zuhörer die beiden Lautsprecher am Adolf Hitler-Platz und lauschten den Übertragungen aus der Reichshauptstadt schon vom frühen Morgen an“.

Baumpflanzungen und -weihungen

Der 1. Mai war im Kreis Wittgenstein ein Tag der Baumpflanzungen und Baumweihungen. In Hesselbach wurde eine Hitler-LInde gepflanzt, in Banfe eine Hitler-Eiche. Herbertshausen taufte eine Hitler- und eine Hindenburg-LInde und Feudingen weihte gleich Schlageter- und Horst-Wessel-Bäume sowie eine Hitler-Linde. Auch in Laasphe pflanzte man zwei Bäume, eine Hindenburg- und eine Hitler-Linde vor der Volksschule. Der Landrat und der NSDAP-Kreisleiter hielten Festreden. Der Männergesangverein „Eintracht“ begleitete die Aktion. Es war 15 Uhr.

Der Abend des 1. Mai 1933

Der eigentliche Höhepunkt an diesem „Tag der nationalen Arbeit“ aber war der Abend. Gegen 20 Uhr betrat Hitler in Berlin die Bühne und hunderte Lautsprecher und der Rundfunk übertrugen ihn: „Deutsche Volksgenossinnen und Volksgenossen. Der Mai ist gekommen …“. Es war zeitgleich auch im Kreis Wittgenstein zu hören. In Niederlaasphe versammelte man sich in einer Gastwirtschaft zum gemeinsamen Hören, in Laasphe verteilte man sich. „Den Staatsakt auf dem Tempelhoferfeld und die Proklamation des Herrn Reichskanzlers hörten viele auf dem Wilhelmsplatz und in der Turnhalle, während andere in den Wirtschaften und zu Hause der Übertragung beiwohnten“, berichtete die Wittgensteiner Zeitung. Hitler redete in Berlin 1 Stunde und 48 Minuten. Und auch in Laasphe vernahm man gegen Ende der Proklamation die von Hitler mit heiserer Stimme geschrienen religiösen Formeln: „Herr nun segne unseren Kampf um unsere Freiheit“ und die „Heil“-Rufe vom fernen Tempelhofer Feld. Man hörte sie an verschiedenen Orte, aber alle hörten dasselbe – und brachen dann auch hier massenmedial gestimmt zu einem „nach Tausenden zählenden Fackelzug“ aller Verbände von der Volksschule aus auf. Dann ging es durch König- und Gartenstraße zum Ehrenmal auf dem Steinchen. Am Anfang des Zuges ging die Weifenbacher Kapelle. Dann folgten SA, SS, NSBO, HJ, NSDAP, Stahlhelm, Kriegerverein, Feuerwehr, Sanitätskolonne, Gesangverein Sangeslust Laaspherhütte, Belegschaften, Männergesangverein Eintracht, Spielmannszug der Turnerschaft, Turnverein, Wandervogel, Luisenbund, Fußballklub, Gesangverein Liedertafel, Volksschule, Mittelschule, Aufbauschule, Schützenerein, sonstige Verbände. Es war – so die WZ – eine „riesige Menschenschlange, die sich in straffer Disziplin unter einem Meer von Fahnen hindurchbewegte“.

Bis in die kleinsten Dörfer

Es war offenbar nicht leicht, die nötigen Lautsprecher aufzubringen. In Schameder etwa musste der Volksschullehrer sein privates Gerät zur Verfügung stellen, damit die Schüler die Berliner Jugendveranstaltung mithören konnten. Eine Pflichtaufgabe.

Das modernste Massenmedium

Das Radio war 1933 noch immer ein sehr neues Medium und Joseph Goebbels schätzte „das allermodernste und allerwichtigste Massenbeeinflussungsinstrument“ sehr. Die Zeitgenossen hatten der – wie es der Medienforscher Emil Dovifat einmal ausdrückte - „suggestiven Überwältigung durch den Rundfunk“ wenig entgegenzusetzen. Der 1. Mai 1933 war der erste Versuch, Volksgemeinschaft massenmedial zu inszenieren. Schon im Vorfeld gab es – so berichtete etwa der „Hinterländer Anzeiger“ aus Biedenkopf - eine „eindrucksvolle Propaganda durch Presse, Werbekolonnen und Rundfunk“

Von den lokalen Veranstaltungen wissen wir heute wenig, die Reaktionen der Menschen sind weitgehend unbekannt, Bilder sind heute rar. „Unsere Stadt sah gestern die erhebendste Feier seit ihrem Bestehen“, schwärmte der Beobachter in der WZ. Aus Feudingen wurde von 4000 Teilnehmern berichtet. Die Verbindung von Großveranstaltung und Radioübertragung jedenfalls war nach diesem 1. Mai 1933 etabliert. Wieder und wieder wurden solche Events – top-down - veranstaltet.

Doch der 1. Mai 1933 veränderte nicht nur die massenmediale Beeinflussung. Im Schatten des „Tags der nationalen Arbeit“ wurden am 2. Mai die Gewerkschaftshäuser besetzt, die freien Gewerkschaften zerschlagen.© Dr. Hans-Jurgen Krug 2023

12. November 2022

Bis ins kleinste Dorf. Radioräume und Strukturen

Die Anfänge des Hörfunks in Deutschland waren eher unauffällig. Der erste Sender stand im Obergeschoss des Berliner Vox-Hauses – und nur die Antennen auf dem Dach zeigten, dass hier am 29. Oktober 1923 ein neues Zeitalter begonnen hatte. Die Sendeleistung betrug 0,25 Kilowatt, die Antennen waren kaum zehn Meter
hoch – und die Bodenwellen verbreiteten sich gerade mal über fünf bis zehn Kilometer. Der Hörfunk war ein reines Großstadtmedium: 94 Prozent der ersten Gebührenzahler kamen aus Berlin. Noch 1924 begannen die Planungen für einen repräsentativen Sendeturm, der die ganze Hauptstadt mit Mittelwellenradio versorgen und gleichzeitig zu einem Wahrzeichen für die Stadt und die neue Funkindustrie werden sollte. Am 3. September 1926 wurde der Berliner Funkturm vor 1.000 Gästen eingeweiht. Er hatte 203.000 Reichsmark gekostet, doch seine Sendeleistung blieb weit hinter den Erwartungen zurück. Fünf Jahre später konnte auch das von Hans Poelzig entworfene „Haus der Rundfunks“ in der Masurenallee bezogen werden. In der Mitte des fünf Millionen Reichsmark teuren Funkpalastes aus roten Ziegelsteinen dominierte der Große Sendesaal mit mehr als 1.000 Plätzen, drum herum lagen die Büros und Studios. Berlin hatte seinen eigenen, hauptstädtischen Hörfunkkomplex.
Auch die acht Regionalsender, die 1924 in „räumlich improvisierten Verhältnissen“ii ihren Betrieb aufnahmen, saßen in Großstädten. Die Mitteldeutsche Rundfunk AG (MIRAG) begann am 2. März 1924 in der „Alten Waage“ am Markt in Leipzig, die Deutsche Stunde kam in München in Räumen des Verkehrsministeriums unter. Auch in Breslau, Frankfurt, Hamburg, Königsberg, Münster und Stuttgart wurde improvisiert. Doch schon bald wurde es in den Funkhäusern eng. 1926 begann die Schlesische Funkstunde mit dem Bau eines eigenen Funkhauses am Stadtrand von Breslau. Das Gebäude kostete 700.000 Mark und überforderte die arme Gesellschaft hoffnungslos. Bald bauten auch die anderen Sender genuine Funkhäuser: München (1929), Hamburg (1931), Berlin (1931), Königsberg (1933). Die Sender erhielten eigene, funktionsgerecht geplante Gebäude. Sie waren Institutionen. 
Bereits 1924 war klar, dass das Deutsche Reich technisch durch neun Sender nicht abgedeckt werden konnte.... (Bis ins kleinste Dorf. Radioräume und Strukturen. In: Diemut Roether, Hans Sarkowicz, Clemens Zimmermann (Hrsg.): 100 Jahre Radio in Deutschland. Bonn (Bundeszentrale für politische Bildung) 2022, S. 30-41)

29. Oktober 2022

Wurzelböden. Vor 50 Jahren: Abiturjahrgang 1972 in Biedenkopf

Irgendwann wurden an der Lahntalschule (LTS) in Biedenkopf die traditionellen Schulbücher durch selbst gekaufte Bücher ergänzt. Sie mussten nach der Lektüre nicht zurückgegeben werden, sondern blieben im Besitz der Gymnasiasten. Nach und nach gesellten sich nun neue Bücher zu den wenigen Kinder- und Jugendbüchern, die ich damals besaß. Am 19. März 1967 wurde ich konfirmiert. „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“, steht im meiner Konfirmationsurkunde. „Niemand kommt zum Vater denn durch mich (Joh. 14,6).“ Ich war nun religiös mündig, kirchlich erwachsen, abendmahlberechtig - und besaß eine eigene, nagelneue und teure Bibel. Mein Name war in Gold eingeprägt. Am 8. Juli fuhr meine Klassenstufe nach Glücksburg ins Ferienlager des Kreises Biedenkopf.

Das erste von mir (bzw. meinen Eltern) für den Unterricht erworbene Buch war das Hörspiel „Das Schiff Esperanza“ von Fred von Hoerschelmann. Gelesen „Juli 1967“ habe ich damals in das dünne, 55-seitige Büchlein geschrieben. Gelesen, das hieß: ..." (Wurzelböden. Vor 50 Jahren: Abiturjahrgang 1972 in Biedenkopf. In: Hinterländer Geschichtsblätter 3/ 2022, S. 113-118/ Beilage zum Hinterländer Anzeiger)

30. Oktober 2021

20 Jahre WDR 3 Kulturpartnerschaften in 20 Kapiteln

„WDR 3 wird 1998 – wie alle anderen WDR-Radioprogramme zuvor – zu einer 'Radiowelle' und erhält 1999 erstmals eine Wellenleitung. Das Programm erlebt die größten Veränderungen seiner mehr als 30-jährigen Geschichte. Aus dem kästchenorganisierten Mischprogramm soll sich ein eigenständiges Kulturprogramm mit originärer Orientierung an der nordrhein-westfälischen Kultur entwickeln. WDR 3 trägt den Claim 'Das Kulturereignis' und soll als Welle eine eigene durchgängige Ästhetik erhalten. Neue Zielgruppen und neue Hörer:innen sollen erschlossen werden.

Der erste Programmchef der neuen Welle ist Karl Karst. Er wird das Programm zwei Jahrzehnte lang von 1999 bis 2019 prägen. Karst beginnt sofort, die Formate zu überprüfen und das Programm weiter in der nordrhein-westfälischen Kulturszene zu verankern. Dazu entwickelt er die WDR 3 Kulturpartnerschaften. Es sind die ersten dauerhaften Partnerschaften zwischen Kultureinrichtungen eines Landes und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland ….“ (20 Jahre WDR 3 Kulturpartnerschaftenin 20 Kapiteln. WDR 3, 2021)

28. Oktober 2021

Radio, Hörbuch, Podcast, Plattform. Zur Geschichte des Hörspiels

"Die Zahl der in Deutschland gesendeten Hörspiele ist unbekannt, doch es dürften – so hat Christoph Buggert, der langjährige Hörspielchef des Hessischen Rundfunks, 2004 geschätzt, weit über 100.000 Titel sein. Und nur die wenigsten sind noch erhalten oder noch bekannt. 

Denn das Hörspiel, die genuine Kunst des gebührenfinanzierten Radios, war seit seinen Anfängen 1924 eine extrem flüchtige Kunst. Niemand konnte die ersten Hörspiele aufzeichnen. Sie wurden live in improvisierten „Studios“ inszeniert und einmalig über Mittelwelle gesendet – dann waren sie unwiederbringlich verloren. Das Hörspiel war und ist eine technische Kunst. Wer ein Hörspiel hören wollte, musste einen Radioapparat besitzen und ihn zu einer bestimmten Zeit einschalten. Ohne Radioapparat gab es kein Hörspiel.

Das Hörspiel entstand als regionale Radiokunst.... (Poltik und Kultur, 11/2021, S. 20)


15. Oktober 2021

„Es kommt ja niemand zum Tanzen“ - Über die Anfänge des Fernsehens im Hinterland

Besucher des Landgrafenschlosses in Biedenkopf konnten am 22. Mai 1953 nicht nur über die Kreisstadt und das Lahntal schauen, sondern in die Welt. Radio Pfeil hatte auf der Schlossterrasse einen Fernsehapparat der Firma Grundig aufgestellt, einen der ersten im Hinterland. Das Fernsehen war in Deutschland noch kein halbes Jahr alt. Weihnachten 1952 hatte der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR) mit der Ausstrahlung eines regulären Fernsehprogramms begonnen. Der Empfang auf der Schlossterrasse war an diesem Freitagabend sehr gut – und so konnten die Interessierten nicht nur die „Tagesschau“ (20.00 Uhr) sehen, sondern auch einen Kulturfilm sowie – nach 21.15 Uhr – die dreißigminütige Dokumentation „Endstation Fernsehen. Ein Querschnitt durch 50 Jahre deutscher Funktechnik“. Der Fernsehtag klang mit „Kurt Wege mit seinen Solisten“ (21.45 Uhr) aus. 

Auch in Gladenbach … (Hinterländer Geschichtsblätter 3/ 2021, Seite 81-86)

7. September 2021

Die fröhliche Welle

 "1957 begann die Compagnie Luxembourgeoise de Télédiffusion (CLT) mit der Ausstrahlung des deutschsprachigen Hörfunkprogramms „Radio Luxemburg“. Das neue Programm wurde ausschließlich durch Werbung finanziert, zunächst nur von 14 bis 18 Uhr über Mittelwelle (MW) ausgestrahlt und fand vor allem in Deutschland begeisterte Hörer. Hier gab es bis in die 1980er Jahre nur gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Radio Luxemburg sendete in eine transnationale Nische. Katja Berg hat die neue „Grenzenlose Unterhaltung“ (so der Buchtitel) durch Radio Luxemburg nun erstmals umfassend rekonstruiert. Ihre gut lesbare Dissertation beschreibt ... (Damals vom 3. September 2021)


18. März 2021

Handwerker und Henker auf dem Hof. Hausschlachtung in Niederdieten um 1980

"Als Siegfried das erste Schwein aus dem Stall holte, stand Rudolf abwesend und traurig daneben. Als Herbert die Sau mit einem zwischen den Augen angesetzten Bolzenschuss betäubt hatte, war seine Trauer verflogen, seine Abwesenheit nicht mehr der Situation angemessen. Handlungsort ist Rudolfs Hof, gelegen im Mittelpunkt des hessischen Dorfes Niederdieten. Einsehbar blieb der Vorgang für jeden, der ihn einsehen wollte. Schwierig gestaltete sich die Betäubung des Schweins nicht. Aus dem Stall hervortrottelnd und wenig widerspenstig musste es nur an den dafür vorbestimmten Platz dirigiert werden — eine ehemalige Mistpitze, in der sich seine Vorfahren noch gesuhlt hatten. Instinktiv folgte das Tier ihrer Spur, ahnungslos dem Kommenden ausgesetzt ... "(In: Hinterländer Geschichtsblätter 1/ 2021, S. 65- 68)

22. Juni 2020

Kleine Geschichte des Hörspiels (3. überarbeitete und erweiterte Auflage)

"Die Digitalisierung hat inzwischen alle Medien ergriffen und auch die Radiokunst und das Hörspiel tiefgreifend verändert. Hörspiele gibt es heute nicht mehr nur im Radio, man kann sie auch in Theatern, Kinos, Clubs, Stadien oder Parks hören, als Hörbuch erwerben oder einfach aus dem Internet herunterladen. Hörspiel ist überall und bietet in der neuen Surround-Technik sogar Rundumhörgenuss.
Das Hörspiel entstand in den 1920er-Jahren als arteigene Kunst des Radios, konnte zunächst nur über Mittelwelle empfangen werden und wurde rasch zur ›Krönung des Funks‹. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die junge, flüchtige Radiokunst populär wie nie und erlebte vor allem mit Günter Eich ihre literarisch geprägte Blütezeit. Seit den 1980er-Jahren wurde Musik für die Gattung immer wichtiger, seit den 1990er-Jahren das nun formatierte Radioumfeld. Heute konzentriert sich das öffentlich-rechtliche Hörspiel auf Serien und vielstündige Adaptionen  bedeutender Romane. Das flüchtige Medium ist als Hörbuch oder Podcast dauerhaft geworden. Das Hörspiel ist eine akustische Kunst und eine offene Kunstform. Es beruht auf Wort, Musik sowie Geräusch und ist die einzige Kunstgattung, die nur gehört werden kann.
Der Autor erzählt die wechselvolle Geschichte der Hörspiele zwischen 1924 und 2020. Er beschreibt, wie technische, programmgeschichtliche, ästhetische und personelle Veränderungen in fast 100 Jahren die Radiokunst immer wieder herausforderten und veränderten. Und er berücksichtigt die Arbeit ihrer RegisseurInnen, SprecherInnen und KomponistInnen, ohne die eine moderne Geschichte des Hörspiels nicht auskommen kann"
 
Stimmen:

“Das kompakte Buch hat sich als Standardwerk etabliert und ist aus einer Bibliothek zum deutschsprachigen Hörspiel nicht wegzudenken.” (Günter Rinke: “Hörfunk und Fernsehen. Sammelrezension: Hörspiel”, MEDIENwissenschaft 1/2021)

“Über die Jahrzehnte hat der Rundfunk mit Abertausenden von Produktionen eine eigene Ästhetik entwickelt und Maßstäbe gesetzt. Zu Recht fragt daher der Medienwissenschaftler Hans-Jürgen Krug in seiner gar nicht so „Kleinen Geschichte des Hörspiels“, die soeben in überarbeiteter Fassung neu aufgelegt wurde, warum das Hörspiel als eigenständige Kunstform an Schulen und Universitäten keine Rolle spielt. Das Hörspiel als eine aus Worten, Geräuschen, Effekten, Atmosphären und Musiken erzählte Geschichte hat sich als Kunstgattung längst etabliert. Diese nicht nur zu rezipieren, sondern auch zu erforschen, wäre ein lohnendes Ziel.” (Sandra Kegel: „Stimmen hören fördert Ihre Gesundheit“, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.06.2020) (Mehr).

19. Januar 2020

Wasser ist zum Baden da. Eine kleine Geschichte der Schwimmbäder im Kreis Biedenkopf

Erinnerung I
Am Anfang war die Blechwanne im Garten meiner Großeltern in Niederdieten. Mitte der 1950er Jahre pumpten sie im Sommer gelegentlich Brunnenwasser in die Wanne. Es war eiskalt. Wir planschten im Wasser, brachten es zum Überschwappen. Rasch wurde es weniger. An der Oberfläche sammelten sich Fliegen und Grassamen. Im Stall standen noch zwei Kühe. Später gingen wir manchmal zum schon lange zugeschütteten „Mehlgrowe“. Das aufgestaute Wasser war vielleicht vierzig Zentimeter tief, es stand fast. Krebsereich, stichlingsreich – und offenbar sehr sauber.

Flüsse, Wehre, Bäche
Flüsse waren auch im Hinterland lange die einzigen öffentlichen Bademöglichkeiten. „Zum Baden“, schrieb 1835 Bezirksarzt Deibel an seine Vorgesetzten, „ist außer der Nähe des Lahnflußes wenig Gelegenheit, und wird, wo es möglich ist, nur von der Jugend und
namentlich von den Knaben benutzt“.
1901 wurde ein „Badeverein“ gegründet. Vorsitzender war Professor Julius Esau, der Direktor des Biedenkopfer Gymnasiums, Gründungsmitglieder waren städtische Honoratioren: Heinzerling, Hosch, Pfeil, Plack, Plitt, Stephani. Die erste „Schwimm- und Badeanstalt“ wurde bei der Obermühle errichtet. Sie war auch während des 1. Weltkrieges geöffnet: für Damen werktags von 9 bis 10 und von 3 bis 5 Uhr, für Herren von 7.30 bis 9, 10 bis 12 und 5 bis 8 Uhr. Und auch die Schüler hatten ihre Zeiten. Lange stand in Biedenkopf das einzige Bad weit und breit ...“ (In: Hinterländer Geschichtsblätter Nr 4./ 2020, S. 25-29)

25. November 2019

Willy Brandt in Biedenkopf. Auftakt zum Kanzler-Wahlkampf 1969

„Der 21. August 1969 war ein Donnerstag, und in Hessen waren noch Sommerferien. Der Ausnahmezustand, in den Andreas Baader, Gudrun Ensslin und rund 200 APO-Aktivisten am 28. Juni das Jugendheim Staffelberg und die Stadt Biedenkopf versetzt hatten, schien vorbei. Auch die Revolte machte Ferien.
Nur Petrus blieb aktiv. Immer wieder regnete es, auch in Biedenkopf. Und dann – mitten im Sommerloch – wurde hoher Besuch angekündigt: Willy Brandt, der SPD-Vorsitzende, Vizekanzler der Großen Koalition, Außenminister und einer der bekanntesten deutschen Politiker kam überraschend nach Biedenkopf. Am 21. August – so meldete der „Hinterländer Anzeiger“ – wolle er um 14 Uhr „ein kurzes Referat über Tagesfragen“ halten und „das SPD-Programm erläutern“---- (Willy Brandt in Biedenkopf. Auftakt zum Kanzler-Wahlkampf 1969. In: Jahrbuch 2020 des Landkreises Marburg-Biedenkopf, S. 203 – 206)